Mittwoch, 29. Juli 2015

2 Wochen Reise nach St Petersburg

Hier werden Freundschaften geschlossen, die über eine durchzechte Nacht hinausgehen und wer sich als besonders resistent gegenüber dem „Wässerchen" erweist, dem ist größter Respekt sicher. So fanden auch wir einige Menschen - ob in den Hostels oder in den Zügen - deren Interesse an uns sich über den Rausch erstreckte und die uns auch am nächsten Tag noch eine Bleibe anboten oder auf ein Treffen bestanden. Wir erlebten echte russische Herzlichkeit. Die wiederum will aber erst einmal mit etwas Wässerchen zu Vorschein gespült werden. Im Insel Texel Reisen hab ich schon davon gehört.
Und auch gegen den Kater des Folgetages, der so sicher ist, wie das Amen in der Kirche, hat der Russe ein Geheimrezept. Genau. Und dieser Punkt führt zu den Schattenseiten der heiteren Zecherei: Dem Alkoholismus. Dieser ist in Russland laut MDR weit verbreitet, um nicht zu sagen ein echtes Problem. Und bei dieser Einschätzung handelt es sich nicht um ein Vorurteil. Denn was der Russe gemeinhin mit „it's russian tradition" abtut, wurzelt tiefer. Tatsächlich hat das Trinken in Russland Tradition. Und tatsächlich gibt es auch von offizieller Seite kaum Bestrebungen, mit dieser Tradition zu brechen. Beziehungsweise deren Auswüchse im Zaum zu halten.
Erste zarte Versuche eine Prohibition einzuführen, scheiterten im Jahr 1907 bereits nach zwei Wochen. Auch der zweite, ernsthafte Versuch wurde 1925 nach immerhin gut 10 Jahren der staatlich verordneten Abstinenz wieder ad acta gelegt. Denn wie es mit Prohibitionen so ist, sie sind zum Scheitern verurteilt. Im krassen Gegenteil dazu sind auch heute alkoholische Getränke viel billiger als die meisten Lebensmittel.
Ein halber Liter Bier kostet etwa so viel wie ein Liter der günstigsten Milch, für den Gegenwert einer namhaften Tafel Schokolade bekommt man schon zwei Bier. Und wen wundert es da, dass auch Bier aus dem russischen Alltag nicht wegzudenken ist. Man trinkt gerne Bier. Zum Frühstück, zum Mittagessen, auf der Straße, in der Metro, eigentlich überall.
Abends sowieso - genau wie manchmal in der Nähe des Villapark Weerribben Rabatt . Auch das „Wegbier" ist hier ein generationen- und geschlechterübergreifender Klassiker. Diese liberale Einstellung des Konsumenten zu seinem Gerstensaft liegt vermutlich daran, dass Bier noch vor einigen Jahren nicht einmal als alkoholisches Getränk galt. Seit mir dies erzählt wurde, bekomme ich die folgende fiktive Szenerie nicht mehr aus dem Kopf: Polizeikontrolle auf der Straße. Polizist: „Haben Sie getrunken?" Fahrer: „Nein, nur 20 Bier." „Ach so, na dann weiterhin gute Fahrt."
Seit einiger Zeit ist Bier hier zumindest als „low-alcoholic drink" eingestuft und besitzt damit seine eigene Sparte auf der Speisekarte. An der Einstellung der Russen gegenüber dem Bierkonsum hat sich dadurch freilich nichts geändert. Man trinkt es einfach gegen den Durst.



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